20 Jahre Mailingliste Rechtsextremismusforschung: Eine Erfolgsgeschichte des wissenschaftlichen Austauschs
von Jana Marie Bertermann – im Gespräch mit Thomas Grumke und Andreas Klärner
Die Mailingliste Rechtsextremismusforschung ist ein etablierter Kommunikationskanal innerhalb der wissenschaftlichen Community. 2004 von einer Arbeitsgruppe um Andreas Klärner und Thomas Grumke eingerichtet, gibt es sie nun seit 20 Jahren. In diesem Beitrag blicken die beiden Wissenschaftler auf die Entstehungsgeschichte der Liste zurück und verraten ihr Erfolgsrezept.
Für Wissenschaftler*innen, die in Deutschland zum Thema Rechtsextremismus und der extremen Rechten arbeiten, ist ein zentraler Kommunikationskanal die Mailingliste Rechtsextremismusforschung. 2004 gegründet, bietet sie seit mittlerweile 20 Jahren die Möglichkeit, sich in einem fragmentierten Forschungsfeld fachlich auszutauschen, sich zu vernetzen und Wissen zu bündeln. „In einem Land wie Deutschland, dem es nicht gerade in den Schoß gefallen ist, eine parlamentarische Demokratie zu sein, ist es – wie ich finde – besonders wichtig, sich mit den Feinden dieser Demokratie auseinanderzusetzen“, sagt Thomas Grumke, Mitbegründer der Mailingliste. „Was unwahrscheinlich positiv ist, ist, dass sich weiterhin sehr viele Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mit diesem Thema beschäftigen.“ Es bleibe abzuwarten, wie sich das neu gegründete Institut für Rechtsextremismusforschung (IRex) an der Universität Tübingen etabliere. Einen zentralen Lehrstuhl für Extremismusforschung habe es bislang jedoch in Deutschland nie gegeben. Deshalb sei es notwendig gewesen, sich selbstständig ein Kontaktnetzwerk aufzubauen.
Von der Idee zu einem verlässlichen Kommunikationskanal
Die Idee zur Mailingliste entstand in den Kaffeepausen eines Symposiums, das Andreas Klärner 2003 im Rahmen seines Dissertationsprojekts am Hamburger Institut für Sozialforschung organisierte. Sein Ziel war es, junge Forschende aus unterschiedlichen Disziplinen miteinander zu vernetzen. So kamen Wissenschaftler*innen aus der Politikwissenschaft, Soziologie, Pädagogik, Psychologie und der europäischen Ethnologie zusammen. „Wir waren immer der Ansicht, dass man ein Thema wie Rechtsextremismus nur interdisziplinär bearbeiten kann“, betont Thomas Grumke, der am Symposium teilnahm. Aus der Konferenz gingen ein Sammelband („Moderner Rechtsextremismus in Deutschland“, 2006) und der Plan hervor, eine neue Plattform für fachlichen Austausch zu schaffen. Andreas Klärner, Thomas Grumke, Stefan Borrmann, Henning Flad und Oliver Geden gründeten daraufhin eine Arbeitsgruppe, um gemeinsam die Mailingliste Rechtsextremismusforschung einzurichten. „Das war technisch damals wirklich etwas Besonderes“, erzählt Grumke. Die Mailingliste bot eine innovative Möglichkeit, sich abseits von Telefonaten oder persönlichen Treffen mit Kolleg*innen auszutauschen.
Den inhaltlichen Fokus der Liste legten ihre Gründer von Anfang an klar fest: „Wir wollten keine Diskussionsliste haben, das war unser Konsens – wir wollten Informationen“, fasst Klärner das Konzept zusammen. Bis heute wird die Mailingliste für drei zentrale Bereiche genutzt: Um neue wissenschaftliche Veröffentlichungen zu teilen, Veranstaltungen anzukündigen und Stellenangebote zu verbreiten. „Da weiß man, was man bekommt und was man nicht bekommt – ich glaube, das ist ein ganz fundamentaler Unterschied zu sozialen Medien“, stellt Grumke fest. Um verlässlich zu gewährleisten, dass – gemäß der drei genannten Kriterien – nur relevante Inhalte über die Liste gestreut werden, besteht seit ihrer Gründung im Jahr 2004 eine Moderationsschranke. An die Liste versandte E-Mails werden zunächst geprüft, bevor sie an alle Mitglieder weitergeleitet werden. „Wenn von der Mailingliste eine Mail kommt, kann ich sicher sein, dass ich wirklich eine Information bekomme und nicht irgendeinen Kram“, sagt Grumke. Für ihn ist klar: „Das ist der Grund dafür, dass es die Liste so lange gibt.“
Kooperation mit dem Wissensnetzwerk Rechtsextremismusforschung (Wi-REX)
Andreas Klärner und Thomas Grumke moderieren die Liste seit deren Gründung. Das Thema Rechtsextremismus spielt in der Arbeit der beiden Wissenschaftler noch immer eine wichtige Rolle. Fest an eine Institution gebunden war die Mailingliste Rechtsextremismusforschung nie. Seit Oktober 2023 wird sie jedoch in Kooperation mit dem Wissensnetzwerk Rechtsextremismusforschung (Wi-REX) verwaltet. Das Wi-REX bündelt Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen, schafft Reflexions- und Interaktionsräume für Forschende, entwickelt passgenaue Formate für den Wissenstransfer zwischen Forschung, Praxis und Zivilgesellschaft und unterstützt gezielt junge Forschende, die zum Thema Rechtsextremismus arbeiten. Am Aufbau des Wi-REX beteiligt sind das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld, das Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung (KReDo) der Universität Leipzig, das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena und das Institut für Forschung und Entwicklung in der Sozialen Arbeit (SO.CON) an der Hochschule Niederrhein.
Im Zuge der Kooperation musste die Liste technisch umziehen, wodurch es notwendig wurde, sich erneut zu registrieren, um weiterhin E-Mails über sie zu beziehen. Über 400 Personen haben sich seitdem angemeldet – ein klares Zeichen, dass heute der Bedarf nach Fachinformationen genauso groß sei wie damals, so Grumke und Klärner.
Die Mailingliste Rechtsextremismusforschung kann hier abonniert werden. Auch besteht die Möglichkeit, eine bislang angegebene E-Mail-Adresse zu ändern oder den Bezug von an die Mailingliste versandten Nachrichten zu kündigen. Für den Versand einer Nachricht an die Mitglieder der Mailingliste Rechtsextremismusforschung ist diese an die Adresse re-forschung@lists.uni-bielefeld.de zu richten.
Schlagwörter
- Forschungsansätze & Methoden
Veröffentlichungsdatum
Jana Marie Bertermann
Jana Marie Bertermann ist wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Sie unterstützt die Koordination des Wissensnetzwerks Rechtsextremismusforschung (Wi-REX) und gehört zum Team der Plattform Wissenschaft. Aktuell studiert sie den Master of Arts (M.A.) Politikwissenschaft an der Universität Bielefeld. Zuvor absolvierte sie den Bachelor of Arts (B.A.) Journalistik an der Technischen Universität Dortmund mit integriertem Volontariat, wodurch sie die Eignung erwarb, als Redakteurin zu arbeiten.
Thomas Grumke
Prof. Dr. Thomas Grumke, geb. 1970, studierte Politik- und Literaturwissenschaft in Osnabrück, Ottawa, Berlin, New York und Frankfurt/Oder. In seiner Promotion untersuchte er den Rechtsextremismus in den USA und legte seitdem zahlreiche Veröffentlichungen zum deutschen und internationalen Extremismus sowie zur Arbeit der Sicherheitsbehörden vor. Nach über acht Jahren als Referent im Innenministerium NRW ist er seit 2012 Professor für Politikwissenschaft und Soziologie an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) NRW, Studienort Gelsenkirchen, und hier im Bachelorstudiengang „Polizeivollzugsdienst“ tätig.
Andreas Klärner
Prof. Dr. Andreas Klärner, geb. 1970, studierte Soziologie, Psychologie und Stadtplanung an der TU Darmstadt. Kernstück seiner Promotion zum Rechtsextremismus in Deutschland seit 1990 war eine Lokalstudie zum Wirken und Auftreten der rechtsextremen Szene in einer ostdeutschen Mittelstadt. Er arbeitete als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (Rostock), sowie am Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie/Makrosoziologie der Universität Rostock. Darüber hinaus war er Gast- sowie Vertretungsprofessor an der Universität Hamburg. Seit 2016 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen und leitet dort den Arbeitsbereich „Sozialstruktur und gesellschaftliche Teilhabe“. Seit 2024 ist er Honorarprofessor an der Fakultät für Agrarwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen und bietet dort Lehrveranstaltungen zur Soziologie ländlicher Räume an.
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